Impuls von Dr. Jens Beutmann, smac – Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz – beim 2. Leipziger Finanzforum am 29.10.21

© smac / Mark Frost

Was ist eigentlich Geld? Und warum funktioniert es? – Für mich lassen sich diese Fragen nur mit dem Blick auf die Geschichte verstehen, die Geld zu dem gemacht hat, was es heute ist. 

Gehen wir gedanklich ein paar tausend Jahre zurück. Sagen wir in die Jungsteinzeit. Die große Mehrzahl der Menschen betrieb Landwirtschaft und erzeugte nahezu alles, was sie brauchte, selbst. Hatte einer mal etwas übrig, tat er das, was auch ein Kleingärtner heute tun würde: Er verschenkte den Überschuss. Denn anders, als wir vielleicht in der Schule gelernt haben, waren diese frühen Gesellschaften keine Tauschökonomien. Wir sollten besser von Geschenkökonomien oder Ökonomien des Teilens sprechen. 

Der Grund dafür liegt im Grunde auf der Hand: Landwirtschaftliche Güter sind meist nicht lange haltbar und die Zahl der Menschen, mit denen der oder die Einzelne in Kontakt trat, war gering. Wenn einer zu viele Äpfel hatte, hätte er vermutlich niemanden gefunden, der ihm dafür – sagen wir – Birnen hätte geben können. Und selbst wenn – was hätte es gebracht, über den Apfel/Birne-Kurs zu feilschen, wenn jeder wusste, dass das was übrigbleibt, ohnehin auf dem Kompost landet?

Also gab man freigiebig, was man zu viel hatte. Natürlich war das keine Einbahnstraße; wer einmal gab, durfte erwarten, ein andermal zu bekommen. Wer ständig nur nahm, begab sich auf längere Sicht in moralische Abhängigkeit. Schuld und Schulden wurden noch nicht unterschieden, und in manchen Gesellschaften wurden Leute, die nie gaben, irgendwann zu Sklaven. Es gibt also keinen Grund, diese frühen Geschenkökonomien zu idealisieren. Aber wir halten fest: Die Idee, Äpfel gegen Birnen aufzurechnen, wäre den Menschen damals extrem seltsam vorgekommen. 

Mit der Erfindung des Metalls hatten die Menschen dann erstmal ein Material zur Verfügung, das haltbar war, leicht zu transportieren und wertvoll. Der praktische Nutzen von Kupfer und selbst Bronze war in den ersten Jahrtausenden ihrer Nutzung wohl eher überschaubar. Und dennoch: Ihr Glanz, ihre „magische“ Erzeugung im Feuer, ihre Seltenheit machte sie begehrt.  

© Landesamt für Archäologie Sachsen

Wir finden heute immer mal wieder, auch in Sachsen, solche Hortfunde, wie den aus Dresden-Prohlis. Vergraben wurde er offenbar vor rund 3000 Jahren um Verpflichtungen – Schulden – gegenüber den Göttern abzugelten. Da haben wir übrigens auch die Etymologie des Wortes „Geld“. Ob man auch von Mensch zu Mensch mit solchen Halsringen bezahlen konnte, wissen wir letztlich nicht; gewiss keine Äpfel oder Birnen. Aber vielleicht konnte man damit Sklaven, Frieden oder Verbündete kaufen. Interessant ist jedenfalls, dass diese Halsringe auch in Mitteleuropa schon eine gewisse Normung hatten, sie sind meist in bestimmten Gewichtsklassen wie 100 oder 60 Gramm anzutreffen. 

Im 7. Jahrhundert v. Chr. begannen dann an der heutigen türkischen Westküste die Vorfahren des sagenhaften König Krösus kleine Edelmetallbrocken mit einem Stempel zu prägen – die Idee der Münze war geboren. Der König als Münzherr garantierte Gewicht und Metallgehalt. Diese Garantie war so viel wert wie das Vertrauen in den König. Und dieses Vertrauen stellte sich im Laufe der Geschichte immer wieder als trügerisch heraus. Dennoch etablierte sich damals mit Hilfe der Münzen im gesamten östlichen Mittelmeerraum ein Fernhandelssystem, Geld war tatsächlich zum Tauschmittel geworden. Geschenk- und Teilsysteme spielten jedoch nach wie vor die größere Rolle.

Solange das Prinzip Gewichtsgeld den Handel dominierte, hatten Kaufleute jedenfalls immer eine Feinwaage dabei, um zumindest das Gewicht der Münzen vor Ort prüfen zu können. In der Hacksilberwirtschaft des hohen Mittelalters glaubte niemand an königliche Garantien. Dafür konnte jede Art von Silber als Zahlungsmittel verwendet werden, für die passende Stückelung wurden Schmuck, Barren und Münzen einfach zurechtgehackt. Schön zu sehen ist das z.B. beim 2005 bei Bautzen gefundenen Hacksilberschatz von Cortnitz.  

© Landesamt für Archäologie Sachsen

Allmählich wurde die Idee des Geldes überall akzeptiert. Man konnte nahezu alles dafür kaufen, was für Menschen verfügbar war. Und je üblicher das Kaufen und Verkaufen wurde, je mehr Menschen an diesem Markt teilnehmen, desto weniger fragte man danach, warum das Geld wertvoll war. Allmählich wurde das Geld damit selbst zum Wertmaßstab, an dem man alles andere bemaß. Geld wurde zum Wert an sich. Das ist merkwürdig, denn Äpfel und Birnen unterscheiden sich nicht nur durch ihren Geldwert, finde ich. 

Allmählich wurde das Geld damit selbst zum Wertmaßstab, an dem man alles andere bemaß. Geld wurde zum Wert an sich.

Dass zwischen „realem“ und „zugeschriebenen“ Wert des Geldes eine Diskrepanz besteht, erscheint uns vielleicht besonders offensichtlich beim Papiergeld. Anfangs war Papiergeld nichts anderes als Quittungen für eingelieferte Metallbarren. Da sie viel leichter zu handhaben waren als die Barren, waren sie bei Händlern beliebt. Da niemand genau kontrollieren konnte, ob die Zahl der ausgegebenen Quittungen dem tatsächlich vorhandenen Metallbestand entsprach, waren sie bei den Banken beliebt. Das konnte nicht gutgehen. Diese Erfahrung machten zuerst die Chinesen, die vor etwa 1000 Jahren erstmals Papiergeld druckten und es im 15. Jahrhundert, nach wiederholten schlechten Erfahrungen, wieder verboten. 

In der Geschichte des Geldes gibt es endlose Beispiele von „kreativem Wertmanagement“. Münzherren schummelten bei Metallgehalt und Gewicht; Händler feilten von Münzen etwas Edelmetall weg, bevor sie sie weitergaben; Zentralbanken gaben mehr Scheine aus, als die Volkswirtschaft vertragen konnte; Fälscher bastelten mit großem handwerklichen Geschick ihr eigenes Geld. 

Übrigens gibt es auch Beispiele für Fälschungen, die niemandem schadeten: In den Provinzen des römischen Reiches finden Archäolog:innen überall Fakemünzen – die meisten sind nicht mal gut gemacht. Wegen des notorischen Kleingeldmangels wurden sie offenbar akzeptiert. Auch beim Geld bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis. 

Heute besteht gut 90% des Geldes aus Nullen und Einsen in Computersystemen, Tendenz steigend. Obwohl Geld heute also weitgehend substanzlos ist, ist es so wirkungsvoll wie nie zuvor. Man muss nur genug davon haben. Es funktioniert aber nur, solange wir alle daran glauben. Wenn Zweifel aufkommen, gibt’s ‘ne Finanzkrise. So einfach ist das. 

Also, meine Damen und Herren, falls Sie in Ihrem Leben mal mit Finanzen zu tun haben sollten, hier die Key Message: Geld existiert nur in unseren Köpfen!

Geld existiert nur in unseren Köpfen!

© smac | Laszlo Farkas

Dr. Jens Beutmann
Referatsleiter Ausstellungen, Kurator Sonderausstellung GELD

smac – Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz
Stefan-Heym-Platz 1 
09111 Chemnitz 

jens.beutmann@lfa.sachsen.de

Empfehlung: Geld. Katalog zur Sonderausstellung im smac Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz vom 27.5. bis 30.12.2016, Herausgeber: Jens Beutmann / Sabine Wolfram

128 Seiten mit zahlreichen farbigen Abbildungen, 17,5 x 29 cm, broschiert (Dresden 2016) ISBN 978-3-943770-25-4

19,80 €, MwSt. befreit, zzgl. Versandkosten

Der Katalog bietet eine Zusammenfassung der wichtigsten Gedanken, Beispiele und Objekte der Sonderausstellung GELD – Die Ausstellung. Die Ausstellung geht der Frage nach, wie Geld eigentlich seinen Wert bekommt und warum wir ihm vertrauen. Die Perspektive ist keine ausschließlich archäologische, sondern bezieht Erkenntnisse der Ethnologie, Soziologie und Geschichte mit ein. Das Buch folgt dem Ausstellungsrundgang und informiert ausgehend vom „schwersten Geld der Welt“ über Tauschökonomien, Münz- und Papiergeld, Buchgeld, den Erwerb und Verbleib von Geld, seiner Herstellung sowie der Finanzkrise seit 2007. Die Geschichte des Geldes wird jedoch nicht als eine zeitliche Abfolge seiner verschiedenen Erscheinungsformen erzählt. Vielmehr werden diese trotz zeitlicher oder räumlicher Entfernung nebeneinandergestellt. Denn Geld ist nicht nur das, was wirtschaftswissenschaftlich Geldfunktionen erfüllt, sondern es ist ein Versprechen, das innerhalb historisch-gesellschaftlicher Kontexte mit Inhalten gefüllt wird. Der Katalog ist so einerseits Begleitband zur Sonderausstellung, andererseits bietet er Anregungen, über Geld einmal ganz anders nachzudenken. 

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