Rückblick auf den Roundtable KMU vom 30. April 2021 von Tina Teucher und Susann Rockstroh

KMU und nachhaltige Finanzen: Beziehungsstatus kompliziert

Sind Geld und Nachhaltigkeit nix für die Kleinen? Sustainable Finance wird derzeit vor allem von oben her gedacht: aus Perspektive großer Finanzmarktakteure und der EU-Kommission. Doch wie blicken kleine und mittlere Unternehmen und EinzelunternehmerInnen auf die Frage nach nachhaltigem Geld? 

Im Rahmen des Leipziger Finanzforums fand am 30. April 2021 ein Roundtable zum Thema klein- und mittelständische Unternehmen und nachhaltige Finanzierung statt. Bei der hybriden Veranstaltung waren die Panel-Gäste vor Ort und zahlreiche Zuschauer:innen online dabei. VertreterInnen von Mittelstand, Banken, Verbänden, Medien und Finanzaufsicht diskutierten über die Erwartungslücken zwischen Finanzinstitutionen und kleineren Unternehmen, wie sie sich schließen ließen und welche Chancen sich ergeben. Nicht nur die Speaker, sondern auch die Teilnehmenden kamen aus verschiedensten Bereichen.

Nach einer Begrüßung durch die Moderatorin für Nachhaltigkeit Tina Teucher mit Umfragen und interaktivem Chat zum Einstieg, gaben die RednerInnen Impulse zu ihrer Perspektive auf KMU und Sustainable Finance:

Yvonne Zwick (Vorsitzende B.A.U.M. e.V.) setzt sich dafür ein, die große Bedeutung der kleinen und mittelständischen Unternehmen für das Thema Nachhaltigkeit gegenüber Institutionen und dem Finanzwesen bekannter zu machen und Akteure zu vernetzen. Im Impulsvortrag erläuterte sie die Möglichkeit, nicht verzinstes Kapital für Transformationsprozesse zu aktivieren. KMUs und Finanzmarkt-Akteure müssen dafür zusammengebracht werden. Genau dafür haben Silke Hohmuth von Menschbank e.V. und Yvonne Zwick vom Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften B.A.U.M. e.V. das Leipziger Finanzforum ins Leben gerufen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den kleineren und regionalen Unternehmen, die in der bisherigen „Sustainable Finance“-Debatte unterrepräsentiert waren.

Mein Interesse ist es, Sustainable Finance zu nutzen, um die Regionen, wo vermeintlich wenig Wirtschaftskraft ist, zu der kraftstrotzenden Haltung zu verhelfen und Möglichkeiten zu verschaffen, die sie verdient haben. Eben weil hier Menschen leben, die Innovation treiben und die Geschäftsfelder entwickeln, die auf Zukunftsfähigkeit und Enkeltauglichkeit hinarbeiten.

Yvonne Zwick, B.A.U.M. e.V.

Hier der Eröffnungsimpuls von Yvonne Zwick zum KMU – Roundtable:

Ich bin ein großer Befürworter von natürlichem Wachstum. Wir reden von Wachstum und von Umweltzerstörung und dass wir den Klimawandel nicht im Griff haben und sollen dauernd von irgendwelchen Finanzierungsmodellen zum Wachstum angetrieben werden… So werden wir die Probleme nicht lösen können!

Josef Zotter, ZOTTER Schokoladen

Josef Zotter (Gründer & Geschäftsführer Zotter Schokoladen) leitet ein inzwischen zu 100 Prozent aus Eigenkapital finanziertes Unternehmen mit rund 200 Mitarbeitenden. Er rät davon ab, Businesspläne zu machen: „Einen Business-Plan brauchst Du nur, wenn Du zu groß denkst“. Es sei wichtig, das zu machen, was man für richtig hält.

Sich nur am Markt zu orientieren, sei dann nicht nötig, da man seinen Markt findet, wenn man von der eigenen Idee überzeugt ist. Er selbst nahm im Rahmen seines Unternehmenswachstums einen größeren Kredit auf, was sich als Fehler erwies. 1996 war er pleite, lernte aber daraus, dass es auch möglich ist, ohne Kredit zu wirtschaften. Der Schlüssel dazu liegt seiner Meinung nach in langsamem Wachstum. Außerdem ist er der Meinung, dass der Preis von Produkten auch Aspekte wie Klimaschutz mit einkalkulieren sollte. Die Qualität des Produktes und nicht der Preis spiele die entscheidende Rolle, setzt er jenen entgegen, die seine Produkte als zu teuer einstufen. Sein Unternehmenserfolg gibt ihm hier Recht.

Stephanie Oppitz (Gründerin der Windelmanufaktur) brachte sich selbst das Nähen bei, als sie erkannte, welche Müllberge sie für ihre 3 kurz nacheinander geborenen Kinder mit Wegwerfwindeln produzierte. Die am Markt angebotenen nachhaltigen Windeln genügten ihrem Anspruch an Funktionalität und Design nicht und so entwickelte sie zunächst für den eigenen Bedarf ein 3in1-Windelsystem. Aus den ersten Prototypen entstand so ihr Unternehmen, das sie ohne Businessplan gründete.

Dieses Modell ”Bank”, wo man hingeht und da ist eine Doppelschwingtür, Marmorfußböden, Hochglanzbroschüren und Schalter mit Beratern, ist für eine Unternehmerin wie mich, die alles aus dem Cashflow finanziert, befremdlich. Hier denke ich mir: das kann nicht meine Bank sein – die wirtschaften ja so anders, als ich selbst….

Stephanie Oppitz, Windelmanufaktur

Sie hält Businesspläne für unnötig und einen „Blick in die Glaskugel“. Auch nahm sie keinen Kredit auf und hatte bis heute keinen einzigen Bankentermin, obwohl sie inzwischen 32 Mitarbeiter beschäftigt. Oppitz finanziert bei der Windelmanufaktur alles aus dem Cashflow. Ressourcen schonen, nachhaltig sein und Verantwortung gegenüber dem Planeten sind ihr wichtig und für sie nicht vereinbar mit der Art zu wirtschaften, die Banken heute verkörpern. Gesamtgesellschaftliche Kosten für Wegwerfprodukte sollten ihrer Meinung nach bei der Preiskalkulation beachtet werden. Sie vertritt die Ansicht, dass Banken und Finanzinstitutionen nachhaltiger und digitaler werden müssen.: „Ich brauche eine Bank, die digital ist, die moderne Zahlungsmethoden verwaltet und sich maximal kostengünstig komplett vom Filialgeschäft gelöst hat.  Eine Bank, die transparent mit ihren sozialen Standards und ihren eigenen Investitionen ist – so, dass ich sie mit gutem Gewissen für mein nachhaltiges Produkt als Finanzdienstleister wählen kann.“

Frank Pierschel (Chief Sustainable Finance Officer bei der BaFin) erklärte in seinem Vortrag die vier Ströme der Unternehmensfinanzierung: Kredite, Eigenkapital, Beteiligung und als neues Element: Crowdfunding. Er gibt zu bedenken, dass sich nicht jedes Startup selbst finanzieren kann, gerade bei der technischen Umstellung auf nachhaltiges Wirtschaften sei ein Übergang notwendig, auch um kostenintensive Grundlagenforschung zu betreiben. Pierschel räumt zudem ein, dass ein Umdenken bei der Kreditwirtschaft nötig werde. Die Kundenbindung sei bei vielen Banken verloren gegangen. 

Wenn die Bank als Financier und auch als Begleiter eines Unternehmens auftritt und nicht nur die kreditfinanzierten Unternehmen unter dem Profitablitätspunkt gesehen werden, könnte hier einiges mehr in Richtung Nachhaltigkeit erfolgen.

Frank Pierschel (BaFin)

Nachhaltige Produkte müssen nicht teurer sein, wenn CO2-Preis und umweltschädliche Inhaltsstoffe mit einberechnet werden würden und die Transparenz zunehmen würde, woran die EU auch aktuell arbeite.

Aus Pierschels Sicht müssen KMU genauso auf Nachhaltigkeit umstellen, wie größere Unternehmen. Der Mittelstand habe aber auch das Zeug dazu: weniger schwerfällig, klarere Lieferketten, schnellere Entscheidungswege „Wer sich nicht bewegt, wird bewegt. Auch KMU müssen mehr zu Nachhaltigkeit berichten; der EU-Kommissionsvorschlag zur CSR-Direktive reicht nicht aus. Ich hätte erheblich mehr KMU berichten lassen, um Sustainable Finance auch zu ermöglichen. Ich fürchte aber eher eine Aufweichung in weiteren Verhandlungen.“

Was Du nicht allein vermagst, da verbünde dich mit anderen, die das Gleiche wollen.

Gunnar Bertram, Volksbank Chemnitz

Gunnar Bertram (Vorstandsvorsitzender der Volksbank Chemnitz) gab zu bedenken, dass Banken gewissen Regularien unterworfen sind. Gleichzeitig müssen sie reagieren, da die Nachfrage nach nachhaltigen Angeboten bei Kunden steigt. Der Genossenschaftsgedanke treibe Nachhaltigkeit im Finanzwesen voran, nach dem Prinzip: „Was Du nicht allein vermagst, da verbünde dich mit anderen, die das gleiche wollen“. Die genossenschaftliche Volksbank Chemnitz engagiert sich deshalb dafür, die Region zu stärken, indem weitere Genossenschaften gegründet werden. Eine davon finanziert Projekte rund um erneuerbare Energien, eine zweite widmet sich dem Thema Bildung, um jungen Menschen in der Region eine berufliche Perspektive zu geben. Soziale Nachhaltigkeit spiegele sich eben nicht nur im neuen Lieferkettengesetz für globale Gerechtigkeit, sondern beginne bereits bei der Jugendförderung in der Region, gerade in sogenannten strukturschwachen Gebieten.

Anja Müller (Redakteurin beim Handelsblatt) schreibt seit 1997 über Alternativen zum Bankkredit bei KMUs. Dabei hat sie festgestellt, dass das Verhältnis zwischen KMU und Banken schon immer schwierig war. Durch die Wirtschaftskrise und die Corona-Pandemie sei das Vertrauen zusätzlich gesunken. Auch fehle noch das Interesse und die breite Aufmerksamkeit an dem Thema ‘Finanzierung von nachhaltigen KMU’, was man an den Aufrufzahlen ihrer online-Artikel merke.

Das Leser-Interesse zu differenzierter Finanzberichterstattung – z.B. zu Alternativen zum Bankkredit – ist ziemlich gering. Es gibt eine interessante Lücke: zwischen dem gefühlten Interesse an Nachhaltigkeit, das ja groß ist, und dem tatsächlichen Handeln, weil es ja Geld kostet, die Texte zu lesen.

Anja Müller, HANDELSBLATT

Auch echte Kreditalternativen dürfe es ruhig noch mehr geben. Sie freue sich über Geschichten von nachhaltig agierenden Mittelständlern, die man gut erzählen kann.

In der anschließenden Diskussion wurden Themen wie Vertrauen und Zertifizierungen besprochen. Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex stelle dafür eine gute Grundlage. Zudem könne das Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften B.A.U.M. e.V. die Unternehmen vernetzen und unterstützen – auch bei der Frage wie man Nachhaltigkeit am besten kommuniziert. Der B.A.U.M. Zukunfts- und Klimaplan zeige, wie sich Privatkapital für den nachhaltigen Wiederaufbau der Wirtschaft nach Corona verfügbar machen lässt.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Erwartungen von KMU und Banken aneinander alles andere als deckungsgleich sind. Die Kritik: Banken würden nicht das anbieten, was KMU sich wünschen: Endlich einfachere Zahlungsabwicklungen und Digitalisierung, wirklich gute und fundierte Beratung, „Purpose Money“ – also auf den Geschäftszweck bezogene Finanzierung sowie idealerweise genossenschaftlich basiertes Crowdfunding mit öffentlicher Beteiligung und Besicherung. Dementsprechend empfehlen die KMU-Vertreter, so wenig Fremdkapital wie möglich zu verwenden, am besten gar keinen Kredit. Zudem sehen viele einen Businessplan als überflüssig an. Doch aus Perspektive der Banken bräuchte es natürlich genau diesen, um einen Kredit zu vergeben. 

Letztlich brauche es mehr Dialog wie diesen beim Leipziger Finanzforum, ein Umdenken bei Banken und KMU und ein Aufeinanderzugehen aller Akteure.

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