Rückblick auf das Panel ‘Sustainable Finance – Standortbestimmung’ vom 30. April 2021 von Tina Teucher und Susann Rockstroh

Beim Thema Sustainable Finance bewegt sich 2021 einiges – auf politischer und wirtschaftlicher Ebene. Auch die Einstellung der Konsumenten verändert zunehmend den Markt. Eine Expertenrunde, moderiert von der B.A.U.M.Vorsitzenden Yvonne Zwick, diskutierte im Rahmen des Leipziger Finanzforums am 30. April 2021 die wichtigsten Entwicklungen.

Wiebke Merbeth (Leiterin Public Affairs & Nachhaltigkeit bei Bayern Invest KAGmbH) war Mitglied im Sustainable Finance Beirat der Bundesregierung, der im Februar 2021 den Abschlussbericht mit 31 Zielhandlungsempfehlungen abgab. Diesen erarbeiteten 38 Mitglieder und einige Beobachter unter den Leitfragen: Wie müssen wir (mit Ecken und Kanten) denken? Welcher politische Rahmen muss gesetzt werden? Wie wird das Thema integriert? Einiges davon konnte beantwortet werden, viele Punkte bleiben jedoch noch offen.

„Der Sustainable Finance Beirat wurde Jahre zu spät gegründet; wir wurden links und rechts von Brüssel überholt.“ 

Wiebke Merbeth (Bayern Invest)

Ein blinder Fleck sei vor allem das Finanzwissen, das noch längst nicht flächendeckend in Schulen, wissenschaftlichen Institutionen und selbst in der Realwirtschaft angekommen sei. Für Qualifikation und Weiterbildung brauche es verschiedene Mittel und Wege über alle Altersgruppen und Institutionen verteilt, auch bei den Gesetzgebern, um das Thema voran zu bringen. 

Nachholbedarf bestehe auch bei Nachhaltigkeitskennzahlen, die in die Berichterstattung integriert werden müssen. Vor allem unternehmensinterne Akteure und Gremien wie Aufsichtsräte müssten diese besser verstehen. Die alte Unterscheidung zwischen finanziellen und nicht-finanziellen Kennzahlen werde nun endlich aufgegeben. Denn Nachhaltigkeitskennzahlen sind auch Finanzkennzahlen. Deshalb brauche es nicht separate Berichterstattung und Veranstaltungen, sondern Integration.

Da aber kein Unternehmen in der Lage sein wird, alle Empfehlungen umzusetzen, sollten Nachhaltigkeitsschwerpunkte je nach Sektor und Region gesetzt werden. Die größten Herausforderungen liegen für Finanzunternehmen darin, dass sie sich verkalkulieren und Kreditfinanzierungen nicht zurückgezahlt werden können, bei Klimathemen, die immer mehr Raum einnehmen und bei Governance-Risiken. 

Wissen um Sustainable Finance ist risikorelevant und damit auch konditionenrelevant, was die Refinanzierung angeht.

Wiebke Merbeth (Bayern Invest)

Dr. Kathrin Leonhardt (Vorstandsvorsitzende der Sächsischen Aufbaubank -Förderbank-) findet es wichtig, den umfassenden Bericht des Sustainable Finance Beirats auf eine verständliche Art und Weise herunterzubrechen. Anregungen zum Thema gäbe es auf vielen Ebenen: auf der europäischen Ebene mittels der Taxonomie, auf Bundesebene durch den Bericht des Beirates und auf Landesebene durch jeweils regionale Nachhaltigkeitsstrategien. 

Als Förderbank legt die SAB den Schwerpunkt vor allem auf Förderprogramme und deren Verteilung sowie staatliche Finanzierung und Unterstützung. Neben dem Aktivgeschäft sind Klimarisiken ein großes Thema. Banken sollen sich auch am 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens orientieren. Bei der Finanzierung stellt sich entsprechend die Frage: Was ist positiv? Was ist neutral? Was ist schädlich? Entsprechend wären verlässliche Daten sehr wichtig. Auch die SAB kalkuliert Klimarisiken bei der Kreditvergabe an KMUs bereits mit ein. Dies geschehe noch durch persönliche Einschätzung, da es in dieser Größenordnung keine Ratingagenturen gibt.

Dr. Leonhardt gibt zu bedenken, dass bei Investitionen auch auf den sozialen Mehrwert geachtet werden sollte, da dieser sich zum Beispiel durch Weiterbildungen auch nachhaltig auswirken kann. Die SAB hat eine Gemeinwohl-Bilanz erstellt, auf deren Grundlage die Nachhaltigkeitsstrategie der Bank weiterentwickelt wird.

“Wir brauchen nachhaltigkeitsrelevante Daten, auch von mittelständischen Unternehmen, die kein Nachhaltigkeitsrating haben.”

Dr. Kathrin Leonhardt (Sächsische Aufbaubank – Förderbank)

Frank Pierschel (Chief Sustainable Finance Officer bei BaFin) erklärt, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bis jetzt noch keine eigene Risikokategorie für Nachhaltigkeitsrisiken eingeführt hat, da diese sehr schwer abzugrenzen sind und der ganze Prozess mindestens 7 Jahre dauern würde. Bis 2030 müssen aber bereits wichtige Ziele erreicht werden. Daher wird Nachhaltigkeit stattdessen als Aspekt einbezogen, der andere Risiken verstärken und beeinflussen kann, da er mit allen anderen Bereichen verwoben ist. 

Als Beispiel beschreibt er ein physisches Risiko: eine Fabrikhalle, welche als finanzielle Sicherheit des Eigentümers diente, wird bei einem Unwetter weggeschwemmt. Die Versicherung übernimmt die Kosten beim ersten Mal, nicht aber für die weiteren Male. Die Klimarisiken können sich also hier drastisch auswirken.

Dasselbe gilt bei transitorischen Risiken. Markteinschnitte durch politische Entscheidungen beeinflussen Unternehmen enorm: bei Corona im sozialen Bereich, bei Klimabeschlüssen im finanziellen. Die Real- und Finanzwirtschaft müsse sich auf den größten strukturellen Wandel seit der industriellen Revolution einstellen. Die Vorgaben der BaFin seien immer ein Korsett aus Bedrohung und Chance. Das Merkblatt der BaFin zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken fordert Finanzinstitutionen heraus, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Es brauche jeweils eine konkrete Strategie zur Umsetzung von Sustainable Finance und der EU-Taxonomie, denn zur Zeit hätten Unternehmen noch freie Hand bei den Methoden. 

 „Ich begrüße alle Initiativen, die darauf ausgerichtet sind, die Wiederanschubfinanzierung der Corona-Krise an den großen Herausforderungen der Zukunft auszurichten: Digitalisierung, Nachhaltigkeit und sozialer Zusammenhalt.“

Frank Pierschel (BaFin)

In der anschließenden Diskussion waren sich die Panel-Teilnehmer darin einig, dass Nachhaltigkeit ein riesiger Wachstumsmarkt vor allem für neue Technologien ist. Jedoch fehlen bis jetzt noch viele Daten und die Erfahrung, was sich bewährt – Banken werden gerade deswegen nicht unendlich Risiken eingehen. Absicherungen, Finanzierung, und Förderung durch z.B. Investitionsfonds stellen Instrumente dar, die mehr gefordert sein werden. Aktuell würden gerade in Sachsen viele Zuschüsse in Technologien und Forschung gesteckt.

Auch Konsumenten haben eine nicht zu unterschätzende Macht: Große Firmen können auf dem Finanzmarkt kaum noch Produkte platzieren, ohne Klimaziele zu erfüllen. Das Klimarisiko von Unternehmen sollte sich allerdings vor allem auch nach der Zukunftssicherheit und nicht nur an deren Score orientieren. 

Beim Thema Lieferkette sprach sich das Panel für Mindeststandards aus, die auch Zulieferer erfüllen sollten. Mindeststandards seien keine geschlossenen Systeme wie Ratingagenturen und können dadurch eine Hebelwirkung innerhalb des Marktes auslösen: Wenn sich einige Unternehmen daran halten, sind die restlichen fast gezwungen ebenfalls nachzuziehen, da sie sonst einen Marktnachteil haben.

Eine der größten Herausforderungen für Sustainable Finance ist die schlechte Datenlage. Die EU plant daher eine Datenbank für nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungsverpflichtungen, welche kostenlos zur Verfügung stehen soll und ein wichtiger Schritt in Richtung Transparenz sein wird.

(Fotokredit aller Aufnahmen dieser Seite: Markus Weinberg)

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